Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten durch einen Medizinischen Dienst, der von einer gesetzlichen Krankenkasse mit der Erstellung einer gutachtlichen Stellungnahme zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten beauftragt worden ist, kann nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. h DSGVO auch dann zulässig sein, wenn es sich bei dem Versicherten um einen eigenen Arbeitnehmer des Medizinischen Dienstes handelt. Ein Arbeitgeber, der als Medizinischer Dienst Gesundheitsdaten eines eigenen Arbeitnehmers verarbeitet, ist nicht verpflichtet zu gewährleisten, dass überhaupt kein anderer Beschäftigter Zugang zu diesen Daten hat. So entschied das Bundesarbeitsgericht (Az. 8 AZR 253/20).
Der beklagte Medizinische Dienst Nordrhein führt u. a. im Auftrag der gesetzlichen Krankenkassen medizinische Begutachtungen zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit gesetzlich Versicherter durch, und zwar auch dann, wenn der Auftrag seine eigenen Mitarbeiter betrifft. Im letztgenannten Fall ist es – nach den Regelungen in einer zwischen dem Beklagten und dem Personalrat geschlossenen Dienstvereinbarung und einer vom Beklagten erlassenen Dienstanweisung – einer begrenzten Zahl von Mitarbeitern einer jeweils in Düsseldorf und in Duisburg eingerichteten besonderen Einheit (sog. Organisationseinheit „Spezialfall“), gestattet, unter Verwendung eines gesperrten Bereichs des IT-Systems des Beklagten die anfallenden (Gesundheits-)Daten betroffener Arbeitnehmer zu verarbeiten und nach Abschluss des Begutachtungsauftrags Zugang zum elektronischen Archiv zu erhalten. Der Zugriff auf die Daten erfolgt durch den Einsatz personalisierter Softwarezertifikate und darf nur innerhalb vergebener Zugriffsrechte, die sich an den zu erledigenden Aufgaben orientieren, stattfinden. In der Dienstanweisung ist zudem u. a. festgelegt, dass für die Beschäftigten am Standort Düsseldorf bestimmte – in einem „Zugriffskonzept“ namentlich benannte – Mitarbeiter (Assistenzkräfte und Gutachter) der Organisationseinheit „Spezialfall“ in Duisburg zuständig sind. Nach der Dienstvereinbarung zugangsberechtigt sind außerdem – wiederum ausschließlich zur Erledigung ihrer Aufgaben – die Mitarbeiter der beim Beklagten standortübergreifend in Düsseldorf eingerichteten IT-Abteilung, der im Streitzeitraum neun Beschäftigte angehörten.
Der Kläger war zuletzt als Systemadministrator und Mitarbeiter „Helpdesk“ in der IT-Abteilung des Beklagten tätig. Seit November 2017 war er ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Ab Mai 2018 bezog er von seiner gesetzlichen Krankenkasse Krankengeld. Diese beauftragte im Juni 2018 den Beklagten mit der Erstellung einer gutachtlichen Stellungnahme zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Eine bei dem Beklagten angestellte Ärztin, die der Organisationseinheit „Spezialfall“ in Duisburg angehörte, fertigte ein Gutachten, das die Diagnose der Krankheit des Klägers enthielt. Vor Erstellung des Gutachtens holte die Ärztin bei dem behandelnden Arzt telefonisch Auskünfte über den Gesundheitszustand des Klägers ein. Nachdem der Kläger über seinen behandelnden Arzt von dem Telefonat Kenntnis erlangt hatte, kontaktierte er eine Kollegin aus der IT-Abteilung, die auf seine Bitten im Archiv nach dem Gutachten recherchierte, hiervon mit ihrem Mobiltelefon Fotos machte und anschließend die Fotos dem Kläger mittels eines Messenger-Dienstes übermittelte. Mit seiner Klage hat der Kläger vom Beklagten die Zahlung von immateriellem Schadenersatz u. a. auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO mit der Begründung verlangt, die Verarbeitung seiner Gesundheitsdaten durch den Beklagten sei unzulässig gewesen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers blieb vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos. Die Grundvoraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO, die in einem Verstoß gegen die DSGVO, einem dem Betroffenen entstandenen materiellen und/oder immateriellen Schaden und einem Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und dem Verstoß bestehen, liegen nicht vor. Es fehle bereits an einem Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO. Die Verarbeitung der Gesundheitsdaten des Klägers durch den Beklagten war insgesamt unionsrechtlich zulässig. Die Datenverarbeitung durch den Beklagten war auch im Übrigen rechtmäßig. Sie erfüllte die allgemeinen Bedingungen für eine rechtmäßige Verarbeitung des neben Art. 9 DSGVO anwendbaren Art. 6 DSGVO. Die vom Beklagten hinsichtlich der Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben als Medizinischer Dienst zum Schutz der Gesundheitsdaten eigener Mitarbeiter getroffenen organisatorischen und technischen Maßnahmen wurden überdies den im Unionsrecht verankerten Grundsätzen der Integrität und Vertraulichkeit gerecht. Davon war umso mehr auszugehen als der einzige nachgewiesene Fall eines unberechtigten Zugriffs auf Gesundheitsdaten eines Beschäftigten, die der Beklagte als Medizinischer Dienst verarbeitet hat, auf eine Initiative des Betroffenen selbst zurückzuführen war.
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Letzte Änderung: 17.09.2024
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