Ein Kindergeldanspruch eines EU-Staatsbürgers kann sich aus dem sog. abgeleiteten Freizügigkeitsrecht und dem Gleichbehandlungsgebot ergeben. So entschied das Finanzgericht Düsseldorf (Az. 9 K 1192/23).
Der Kläger (bulgarischer Staatsangehöriger) lebte gemeinsam mit seiner schulpflichtigen Tochter und der Kindsmutter in einem Haushalt und nahm die elterliche Sorge für seine Tochter tatsächlich wahr. Er war von März 2021 bis Ende Oktober 2022 als Arbeitnehmer beschäftigt. Nachdem dem Kläger mit Wirkung zum Ende Oktober (aus betrieblichen Gründen) gekündigt worden war, bezog er seitdem ausschließlich Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch. Vor dem Hintergrund der fehlenden Erwerbstätigkeit des Klägers hob die beklagte Familienkasse daraufhin die Festsetzung des Kindergeldes für die Tochter ab dem Monat Dezember 2022 auf. Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren bestand der Kläger auf seinem Kindergeldanspruch, da seine Tochter erst 12 Jahre alt sei. Die Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück, weil die von ihr angeforderten Unterlagen nicht nachgereicht worden seien und keine von § 62 EStG geforderte Freizügigkeitsberechtigung erkennbar sei.
Das Finanzgericht gab jedoch dem Kläger Recht. Die den Kindergeldanspruch aufrechterhaltenden Voraussetzungen nach § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG erfülle der Kläger zwar nicht; insbesondere lasse sich im Streitzeitraum keine freizügigkeitsbegründende Erwerbstätigkeit oder Arbeitsuche des Klägers feststellen. Sein Anspruch auf Kindergeld begründe sich im Streitzeitraum jedoch aus einem sog. abgeleiteten Freizügigkeitsrecht nach Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 und einem damit einhergehenden Gleichbehandlungsgebot nach Art. 7 Abs. 2 VO 492/2011. Maßgeblich sei allein, dass seinem Kind ein Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO 492/2011 zustehe und der Elternteil, der die elterliche Sorge tatsächlich wahrnehme, beschäftigt sei oder beschäftigt gewesen sei. Unerheblich sei hingegen ob ausreichende Existenzmittel und umfassender Krankenversicherungsschutz vorlägen. Aus den unionsrechtlichen Ansprüchen auf Gleichbehandlung folge, dass dem Kläger ein Anspruch auf Kindergeld zustehe. § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG sei nicht mit dem Unionsrecht vereinbar, soweit grundsätzlich Kindergeldberechtigte, die nur ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht nach Art. 10 VO 492/2011 haben – wie im vorliegenden Fall -, vom Kindergeldanspruch ausgeschlossen wären. Da die Regelung des § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG somit im konkreten Fall nicht anzuwenden sei, stehe sie dem Kindergeldanspruch des Klägers nicht entgegen.
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Letzte Änderung: 17.09.2024
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