Wenn ein Kunde mittels PushTAN und Verifizierung über eine Gesichtserkennung nach einer Phishing-Nachricht die temporäre Erhöhung seines Überweisungslimits und eine anschließende Überweisung freigibt, handelt er grob fahrlässig. Die Bank schuldet in diesem Fall nicht die Rückerstattung des überwiesenen Betrags. So entschied das Oberlandesgericht Frankfurt (Az. 3 U 3/23).
Der Kläger, Rechtsanwalt und Steuerberater in einer internationalen Sozietät, führt bei dem Geldinstitut ein Girokonto. Online-Transaktionen bestätigt er mit dem sog. PushTAN-Verfahren. Sobald in seinem Online-Banking ein Auftrag erteilt wird, erhält er über die auf seinem Smartphone installierte PushTAN-App eine Benachrichtigung und wird zur Freigabe des Auftrags aufgefordert. Zusätzlich hat er eingestellt, dass seine Identität über die Gesichtserkennung des Smartphones bestätigt werden muss. Sein Überweisungslimit lag bei 10.000 Euro. Der Kläger erhielt im September 2021 eine SMS mit dem Hinweis, dass sein Konto eingeschränkt worden sei. Es solle sich für ein neues Verfahren anmelden und hierzu einem Weblink folgen, der das Wort „Sparkasse“ enthielt. Die im Absender der SMS genannte Telefonnummer hatte das Geldinstitut in der Vergangenheit bereits verwendet, um den Kläger über vorübergehende Sperrungen nach Sicherheitsvorfällen zu informieren. Der Kläger folgte dem in der SMS angegebenen Link. Anschließend wurde er von einer männlichen Person angerufen und bestätigte auf Anweisung des Anrufers seinen Angaben nach „etwas“ in der PushTAN-App des Geldinstituts. Am selben Tag wurde das Konto des Klägers mit einer Überweisung i. H. v. 49.999,99 Euro belastet und als Empfänger eine männliche Person mit Vor- und Nachnamen angegeben. Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Gutschrift dieses Betrags.
Das Oberlandesgericht bestätigte die klageabweisende Entscheidung der Vorinstanz. Das Geldinstitut schulde im Ergebnis nicht die Gutschrift des Betrags, da der Kläger grob fahrlässig seine Pflichten verletzt habe. Für die Limitänderung fordere das Geldinstitut eine starke Kundenauthentifizierung mit PIN und PushTAN. Gemäß den Aufzeichnungen sei am Tag der Überweisung eine PushTAN-Freigabe für ein temporäres Tageslimit von 50.000 Euro angefordert worden, die per Gesichtserkennung auch erteilt worden sei. Von derselben IP-Adresse aus sei nachfolgend eine PushTAN-Freigabe für die streitgegenständliche Überweisung über 49.999,99 Euro angefordert und ebenfalls per Gesichtserkennung erteilt worden. Damit sei der Vortrag des Klägers, nur einmal „etwas“ in seiner PushTAN-App mittels Gesichtskennung bestätigt zu haben, nicht glaubhaft. Aufgrund der beruflichen Qualifikation des Klägers könne unterstellt werden, dass er in geschäftlichen Dingen grundsätzlich erfahren sei. Er habe auch selbst berichtet, Online- und Telefonbanking bei mehreren Instituten zu nutzen und mit den grundlegenden Funktionen von Banking- bzw. TAN-Apps vertraut zu sein. Da die Erinnerung des Klägers an Nebendetails des Ablaufs sehr ungenau gewesen seien, spreche eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch seine Erinnerung an die Anzahl der von ihm abgegebenen PushTAN-Bestätigungen unzuverlässig sei. Der Kläger habe durch die Bestätigung von PushTANs auf Anforderung des Anrufers hin gegen seine Verpflichtung, Sicherheitsmerkmale vor unbefugtem Zugriff zu schützen, verstoßen und einem unbekannten Dritten Zugriff auf ein personalisiertes Sicherheitsmerkmal gewährt. Dadurch habe er faktisch die Kontrolle über das Authentifizierungsinstrument PushTAN in die Hände des Anrufers gelegt.
Die Freigabe einer PushTAN auf telefonischen Zuruf hin begründe den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit in objektiver und subjektiver Hinsicht. Bei der Freigabeaufforderung werde dem Kunden grundsätzlich angezeigt, für welchen konkreten Vorgang – etwa eine Überweisung in konkreter Höhe – die TAN geschaffen wurde. Beachte ein Kunde diese deutlichen Hinweise nicht und erteile die Freigabe, ohne auf die Anzeige zu achten, liege hierin kein bloß einfach fahrlässiger Pflichtverstoß mehr, denn bei Nutzung einer App, die explizit der Freigabe von Finanztransaktionen diene, müsse es im Allgemeinen jedem einleuchten, dass die Anzeige zur Kenntnis zu nehmen und gründlich zu prüfen sei. Soweit sich der Kläger auf einen atypischen Ablauf in der App berufe, auf die er durch den Klick auf den in der SMS angegebenen Link geraten sei, könne ihm nicht entgangen sein, dass sämtliche Banken seit Jahren vor sog. Phishing-Nachrichten warnten. Diese erweckten den ersten Eindruck, von einem Zahlungsdiensteanbieter zu stammen, führten typischerweise aber zu gefälschten Websites. Dieses kriminelle Phänomen werde seit 2006 öffentlich breit diskutiert. Hier handele es sich offensichtlich um eine derartige Phishing-Nachricht. Dies habe der Kläger auch spätestens nach der Aufforderung, persönliche Sicherheitsmerkmale im Rahmen einer von ihm selbst als „atypisch“ wahrgenommenen Umgebung freizugeben, erkennen müssen. Spätestens an diesem Punkt hätte die Überlegung ganz nahegelegen, dass er einem Betrugsversuch aufgesessen war.
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Letzte Änderung: 17.09.2024
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