Das Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit kann dazu führen, dass in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegte Erziehungszeiten bei der Berechnung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung zu berücksichtigen sind. So entschied der Europäische Gerichtshof (Rs. C-283/21).
Eine deutsche Staatsangehörige, die in den Niederlanden gelebt hatte und wieder in Deutschland lebt, erhält dort eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie wendet sich vor den deutschen Gerichten dagegen, dass die Erziehungszeiten, die sie für ihre beiden Kinder in den Niederlanden zurückgelegt hatte, bei der Berechnung dieser Rente nicht berücksichtigt wurden. Das mit dem Rechtsstreit befasste Gericht wollte vom EuGH wissen, ob diese Nichtberücksichtigung von in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Erziehungszeiten mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
Der Gerichtshof stellte zunächst fest, dass die Betroffene die in den europäischen Rechtsvorschriften über die Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit aufgestellten Voraussetzungen für die Berücksichtigung dieser Zeiten nicht erfüllt. Sie habe nämlich weder vor noch zu dem Zeitpunkt, zu dem sie mit der Erziehung ihrer Kinder begonnen hat, in Deutschland eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt. Dagegen habe sie dort sowohl vor als auch nach diesen Zeiten Versicherungszeiten für Ausbildungs- oder Beschäftigungszeiten zurückgelegt.
Des Weiteren wies der Gerichtshof darauf hin, dass Deutschland derjenige Mitgliedstaat sei, der für die Gewährung der fraglichen Rente ausschließlich zuständig sei. Die Betroffene habe in den Niederlanden nämlich keinen Anspruch auf eine solche Rente, da sie dort nie gearbeitet habe. Damit könnten die streitigen Zeiten dort nicht berücksichtigt werden. Bei einer solchen Sachlage ergebe sich aus dem Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, dass der für die Rente wegen voller Erwerbsminderung leistungspflichtige Mitgliedstaat (im vorliegenden Fall Deutschland) die Erziehungszeiten zu berücksichtigen habe, die in einem anderen Mitgliedstaat (hier in den Niederlanden) zurückgelegt wurden. Hier bestehe nämlich eine hinreichende Verbindung zwischen den Erziehungszeiten und den Versicherungszeiten, die die Betroffene aufgrund einer Berufstätigkeit im für die Rente leistungspflichtigen Mitgliedstaat zurückgelegt habe. Dass sie in diesem Mitgliedstaat während bestimmter Zeiten, die nach seinem nationalen Recht Versicherungszeiten gleichgestellt sind, keine Beiträge entrichtet habe, insbesondere weder vor noch unmittelbar nach den Erziehungszeiten, lasse das Bestehen einer solchen Verbindung nicht entfallen.
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Letzte Änderung: 17.09.2024
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