Der Bundesgerichtshof entschied, dass ein Hotelgast die Rückzahlung des von ihm vorausgezahlten Beherbergungsentgelts verlangen kann, wenn nach der Buchung ein behördliches Verbot der Beherbergung zu touristischen Zwecken zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erlassen wird, das den gebuchten Zeitraum umfasst (Az. VIII ZR 363/21).
Die Klägerin sei wirksam vom Beherbergungsvertrag zurückgetreten. Der Beklagten war es durch das in der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus enthaltene generelle Verbot einer Beherbergung von Gästen zu touristischen Zwecken im Buchungszeitraum vom 14. Mai bis zum 16. Mai 2020 untersagt, die Hotelzimmer an die Klägerin und ihre Mitreisenden zu überlassen. Der Beklagten war damit die geschuldete Leistung im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB rechtlich unmöglich geworden. Unter den hier gegebenen Umständen sei das in Rede stehende Beherbergungsverbot einem dauernden Leistungshindernis gleichzusetzen. Denn das Beherbergungsverbot stellte die Erreichung des Vertragszwecks in Frage, weil die Klägerin mit der Buchung für einen kalendermäßig konkret bestimmten Zeitraum gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht hatte, dass sich ihr Interesse an der Nutzung der Hotelzimmer auf diese Leistungszeit beziehe. Ein weiteres Abwarten konnte der Klägerin bei billiger Abwägung der Belange beider Vertragsparteien nicht zugemutet werden. Für die Klägerin war es wegen des wechselhaften Infektionsgeschehens im Rahmen der COVID-19-Pandemie und wegen der bisherigen Entwicklung der staatlichen Maßnahmen zu deren Bekämpfung nicht absehbar, ob das für den Buchungszeitraum verlängerte Verbot tatsächlich Ende Mai 2020 entfallen würde und unter welchen Bedingungen gegebenenfalls im Anschluss daran touristische Reisen einschließlich Übernachtungen in Hotels wieder erlaubt sein würden.
Die Klägerin konnte bereits am 7. Mai 2020 wirksam zurücktreten, obwohl die Verlängerung des Beherbergungsverbots für den Buchungszeitraum erst durch die Verordnung vom 8. Mai 2020 und mit Wirkung ab dem 11. Mai 2020 erfolgte. Gemäß § 323 Abs. 4 BGB könne ein Gläubiger bereits vor Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich sei, dass die Voraussetzungen des Rücktritts – insbesondere aufgrund eines unbehebbaren Leistungshindernisses – eintreten werden. Im Hinblick auf die bis dahin erfolgte Entwicklung der pandemiebedingten Beschränkungen des öffentlichen Lebens im Frühjahr 2020 und die in dem vorgenannten Stufenplan der Niedersächsischen Landesregierung erst für einen späteren Zeitpunkt vorgesehenen Öffnungsschritte betreffend touristische Hotelübernachtungen konnte die Klägerin im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der Beklagten eine Überlassung der Hotelzimmer im Buchungszeitraum noch nicht wieder erlaubt sein würde. Das Rücktrittsrecht der Klägerin war auch nicht gemäß § 326 Abs. 5, § 323 Abs. 6 BGB ausgeschlossen. Insbesondere handele es sich bei dem in Rede stehenden generellen Beherbergungsverbot nicht um einen in der Person des Gastes liegenden Umstand, der die Pflicht zur Zahlung des Beherbergungsentgelts unberührt ließe. Denn das Verbot war nach epidemiologischen Gesichtspunkten ausgewählt. Es knüpfte dabei weder an die Person oder spezifische Eigenschaften des einzelnen Gastes noch an solche des Mietobjekts an. Die Unmöglichkeit der Überlassung der Hotelzimmer war vielmehr Folge umfangreicher staatlicher Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, mit der sich ein die Gesellschaft als Ganzes treffendes allgemeines Lebensrisiko verwirklicht hat. Ein solches sei von der mietvertraglichen Risikoverteilung nach § 537 BGB jedoch nicht erfasst.
Schließlich konnte die Beklagte dem Rückabwicklungsbegehren der Klägerin nicht unter Berufung auf die Bestimmung zur Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) entgegenhalten, der Vertrag sei dahingehend anzupassen, dass der Beherbergungszeitraum verschoben werde.
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Letzte Änderung: 17.09.2024
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