Das Verwaltungsgericht Braunschweig wies die Klage einer Fahrschule ab, mit der diese die nachträgliche Feststellung erreichen wollte, dass eine Maßnahme des Landkreises Goslar zur Eindämmung des Corona-Virus rechtswidrig war.
Der Landkreis Goslar erließ am 17. März 2020, also in der „Frühphase“ der Corona-Pandemie, eine Allgemeinverfügung, mit der für den Zeitraum eines Monats u. a. „die Wahrnehmung von Angeboten in Volkshochschulen, Musikschulen und sonstigen öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen im außerschulischen Bereich“ verboten wurde. Der Landkreis sah auf dieser Grundlage auch Fahrschulunterricht als untersagt an und informierte hierüber die Klägerin. Am 23. März 2020 trat eine niedersachsenweit geltende Regelung des Landes in Kraft, die u. a. Fahrschulunterricht ausdrücklich untersagte. Mit der sog. Corona-Verordnung des Landes vom 5. Mai 2020 wurden die Bestimmungen dahingehend geändert, dass bei Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m sowie weiterer Hygienemaßnahmen und Kontaktverfolgungsmaßnahmen der theoretische Unterricht, die Vorbereitung auf und die Durchführung der theoretischen Prüfung sowie der praktische Unterricht mit voraus- oder hinterherfahrenden motorisierten Fahrzeugen zulässig war. Die Fahrschule verfolgte ihr Begehren, das Ende März 2020 geltende komplette Verbot von Fahrschulunterricht im Landkreis Goslar für rechtswidrig zu erklären, auch nach Ablauf der Regelungen und nach Ende der Pandemie weiter.
Das Gericht wies darauf hin, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit allein auf die Sachlage und die wissenschaftlichen Erkenntnisse ankam, die zum Zeitpunkt des Verbots durch den Landkreis vorlagen. Danach sei das Verbot durch die Allgemeinverfügung vom März 2020 gerechtfertigt gewesen, denn eine ungebremste Erkrankungswelle hätte aus damaliger Sicht auch bei einem nur kleinen Teil von schwer verlaufenden Erkrankungen zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führen können. Das „Frühstadium“ der Pandemie im März 2020 sei eine Ausnahmesituation gewesen, in der die Verwaltung auf ein plötzlich eingetretenes, sehr dynamisches Infektionsgeschehen mit äußerster Kurzfristigkeit habe reagieren müssen. Um die dynamische Verbreitung der Erkrankung in Deutschland und weltweit so gut wie möglich zu verlangsamen, die Erkrankungswelle auf einen längeren Zeitraum zu strecken und damit auch die Belastung des Gesundheitssystems zu bewältigen, habe das nach dem Infektionsschutzgesetz zuständige Robert-Koch-Institut seinerzeit maßgeblich „bevölkerungsbasierte kontaktreduzierende Maßnahmen“ empfohlen. Der Erhalt der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und insbesondere der Krankenhäuser zur Behandlung schwer- und schwersterkrankter Menschen, den der Landkreis seinerzeit mit seiner Allgemeinverfügung bezweckt habe, stelle ein überragendes Gemeinwohlinteresse dar. Das Leben und die Gesundheit der durch eine Überforderung des Gesundheitssystems unmittelbar Gefährdeten zu schützen, sei eine grundgesetzlich verankerte Pflicht des Staates. Dahinter hätten in der hier infrage stehenden „Frühphase der Pandemie“ die Grundrechte der Fahrschule zurücktreten müssen.
Auch das Argument, jedenfalls ein undifferenziertes komplettes Verbot von Fahrschulunterricht sei unverhältnismäßig gewesen, überzeuge nicht. Die klagende Fahrschule hatte im Prozess u. a. eingewendet, dass beim praktischen Motorradunterricht Schüler und Lehrer 50 Meter getrennt voneinander mit verschiedenen Fahrzeugen fahren würden. Diese Betrachtungsweise greife zu kurz, denn sie verkenne, dass vor Fahrtantritt im praktischen Motorradunterricht durchaus Erklärungen des Fahrlehrers sowie Hilfestellungen bei der Vorbereitung des Motorrads erforderlich seien, bei denen kein derart großer Abstand eingehalten werden könne. Zudem sei nach damaliger Erkenntnislage auch unklar gewesen, ob es durch die Benutzung des gleichen Fahrschulmotorrads durch aufeinanderfolgende Schüler vermehrt zu Schmierinfektionen hätte kommen können.
Zudem sei es dem Landkreis aufgrund des großen zeitlichen Drucks, umgehend Maßnahmen zur Eindämmung des sich exponentiell ausbreitenden Virus zu ergreifen, schlicht unmöglich gewesen, für jede einzelne mögliche Gegebenheit differenzierte Regelungen zu entwerfen. Daher habe er zur Gewährleistung eines effektiven Infektionsschutzes zunächst zu pauschaleren Bestimmungen greifen müssen, die schnell und einfach umgesetzt werden konnten. Denn eine auf individuelle Besonderheiten eingehende Regelung wie auch Ausnahmegenehmigungen hätten zu einem nicht überschaubaren und nicht leistbaren Verwaltungs-, Vollzugs- und Kontrollaufwand geführt. Auch sei zu berücksichtigen, dass die öffentliche Hand bemüht gewesen sei, Existenzgefährdungen durch Hilfsprogramme abzuwenden und finanzielle Einbußen der Betroffenen jedenfalls zu reduzieren, wie etwa durch erleichterten Zugang zu Kurzarbeitergeld und Corona-Soforthilfen.
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Letzte Änderung: 17.09.2024
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