Die Feststellung eines GdB (Grad der Behinderung) bzw. der Voraussetzungen der begehrten Merkzeichen unterliegt den Grundsätzen objektiver Beweislast des Antragstellers. Führt sein Verhalten zur Aufhebung einer angeordneten Begutachtung, geht dies zu seinen Lasten. So entschied das Sozialgericht Stuttgart (Az. S 22 SB 4651/21).
Der Kläger begehrte die Feststellung eines Grades der Behinderung von 100 sowie die Zuerkennung der Merkzeichen G, aG, H, B und RF wegen einer von ihm geltend gemachten ME/CFS-Erkrankung (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom). Die allein als behandelnde Ärztin angegebene Hausärztin hatte eine Auskunft erteilt. Das Gericht hielt deren Angaben nicht für ausreichend und ordnete eine Begutachtung auf dem neurologischen Fachgebiet an. Der beauftragte Gutachter teilte dem Gericht mit, dass der Kläger nach mehrfacher Kontaktaufnahme mitgeteilt habe, dass er eine körperliche und neurologische Untersuchung nicht wünsche und auch nicht zu einer psychiatrischen Exploration oder einer neuropsychologischen Diagnostik bereit sei. Das Gericht forderte den Kläger dazu auf, seine Bereitschaft, sich vom Sachverständigen untersuchen zu lassen und an der gutachterlichen Untersuchung mitzuwirken, schriftlich zu bestätigen, was der Kläger ablehnte. Der Gutachtensauftrag wurde sodann aufgehoben.
Das Sozialgericht wies daraufhin die Klage ab. Die Bemessung des GdB sei grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei habe insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Vorliegend habe sich das Gericht nicht davon überzeugen können, welche Art von funktionellen Auswirkungen aufgrund des ME/CFS-Syndroms beim Kläger vorlägen. Dabei unterliege die Feststellung des GdB bzw. der Voraussetzungen der begehrten Merkzeichen den Grundsätzen der objektiven Beweislast. Danach trage derjenige die Folgen der Nichterweislichkeit einer Tatsache, der daraus ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil herleiten wolle. Der Grundsatz der objektiven Beweislast greife dann ein, wenn das Gericht trotz aller Bemühungen bei der Amtsermittlung den Sachverhalt nicht weiter aufklären könne. Das Gericht erforsche den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten seien hierzu mit heranzuziehen (§ 103 Satz 1 SGG). Eine Mitwirkungspflicht der Beteiligten – hier des Klägers – bestehe immer dann, wenn das Gericht den Sachverhalt anderenfalls nicht oder nicht vollständig selbst erforschen könne. Die Grenzen der zumutbaren Mitwirkung ergäben sich aus dem den Art. 2 Abs. 2 GG konkretisierenden § 65 Abs. 2 SGB I. Solle Beweis – wie vorliegend – durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben werden, treffe den Kläger die Obliegenheit, zum Zwecke der Begutachtung beim Sachverständigen zu erscheinen – oder wie hier den Hausbesuch zuzulassen – und an der Untersuchung aktiv mitzuwirken.
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Letzte Änderung: 17.09.2024
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