Das Finanzgericht Münster hatte zu entscheiden, ob der Kläger aus seiner Tätigkeit in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) steuerbare Einkünfte erzielt und wenn dies der Fall ist, ob diese zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gehören und deshalb ein Pauschbetrag für Werbungskosten anzusetzen ist (Az. 14 K 1227/21).
“Untergebrachte” in einer JVA, die in einer anstaltseigenen Schreinerei gegen “Entgelt” arbeiten, erzielen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i. S. d. § 19 EStG.
Der Kläger sei als Untergebrachter – anders als Strafgefangene – nicht zur Arbeit verpflichtet. So regle § 31 Abs. 1 Satz 1 SVVollzG NRW in der im Streitjahr und bis zum 27.04.2022 geltenden Fassung noch ausdrücklich: „Die Untergebrachten sind zur Arbeit nicht verpflichtet.“ Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 SVVollzG NRW soll den Untergebrachten Arbeit angeboten werden. Nehmen die Untergebrachten eine Beschäftigung an, dürfe diese nicht zur Unzeit niedergelegt werden. Der Kläger arbeite demnach in der Schreinerei der JVA aufgrund seines freien Entschlusses. Dabei sei er in die Arbeitsorganisation in der Schreinerei eingebunden. Er sei weisungsgebunden hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit. Er habe sich grundsätzlich an feste – von der JVA vorgegebene – Arbeitszeiten zu halten. Die Ausübung der Tätigkeit erfolge gleichbleibend an einem bestimmten Ort, der Schreinerei in der JVA. Bezogen auf die geleisteten Stunden erhalte der Kläger eine feste Vergütung, die aufgrund des Abstandsgebots zu Gefangenen über deren Vergütung liege. Er habe zwar keinen Urlaubsanspruch, aber gemäß § 33 SVVollzG NRW Anspruch auf bezahlte Freistellung, denn gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SVVollzG NRW haben Untergebrachte, wenn sie ein halbes Jahr lang gearbeitet haben, Anspruch auf zehn Tage der Freistellung von der Arbeit. Für die Zeit der Freistellung erhalten sie gemäß § 33 Abs. 3 SVVollzG NRW ein Arbeitsentgelt in Höhe des Durchschnitts der in den letzten drei Monaten vor der Freistellung gutgeschriebenen Bezüge.
Der Kläger zahlt in die Arbeitslosenversicherung ein. Nehmen Untergebrachte während der Zeit der Beschäftigung an bestimmten (z. B. psychiatrischen) Behandlungsmaßnahmen teil, erhalten sie gemäß § 34 SVVollzG NRW eine nach dem entgangenen Arbeitsentgelt bemessene Ausfallentschädigung. „Überstunden“ werden insofern vergütet, als dass alle erbrachten Arbeitsstunden bezahlt werden. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers arbeitet er regelmäßig 39 Stunden in der Woche, was einer üblichen Vollzeitstelle eines Arbeitnehmers entspreche. Er sei unselbstständig in der Organisation und Durchführung seiner Tätigkeit. Er trage kein Unternehmerrisiko und müsse keine Unternehmerinitiative entfalten. Er erbringe keinen Kapitaleinsatz und müsse seine Arbeitsmittel nicht selbst beschaffen. Er sei in den Betrieb der Schreinerei der JVA eingegliedert und müsse dort mit anderen Mitarbeitern zusammenarbeiten. Er schulde seine Arbeitskraft und keinen Arbeitserfolg. Dass der Kläger nur in die Arbeitslosenversicherung und nicht in die weiteren Sozialversicherungen einzahle, spreche bei einer Gesamtbetrachtung nicht entscheidend gegen eine (steuerliche) Arbeitnehmereigenschaft.
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Letzte Änderung: 17.09.2024
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